Interdisziplinäre Forschergruppe:

Autonomie und Vertrauen in der modernen Medizin
Erkenntnis - Praxis - Norm

Die Selbstbestimmung des Patienten wird in liberalen und individualisierten Gesellschaften zu Recht hochgehalten. Doch die Handlungsfreiheit des Einzelnen in einer hochkomplexen, von wissenschaftlich-technischen Rationalitäten durchstrukturierten Welt wächst nur in dem Maße, wie Personen- und Systemvertrauen ermöglicht wird. Ein Übermaß an Entscheidungsoptionen und hohe Risiken in der Medizin machen auch den prinzipiell Entscheidungsfähigen handlungsunfähig, wenn sie nicht durch Vertrauen stiftende Sozialsysteme balanciert werden.

Wenn Autonomie ein Schlüsselbegriff moderner Gesellschaften ist, dann muss dies auch für Vertrauen gelten. Denn Verletzlichkeit und Verunsicherung der Akteure nehmen mit den Handlungsmöglichkeiten der modernen Medizin eher zu als ab. Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes stehen deshalb Ansätze, Autonomie stärker relational oder sozial zu fassen. Untersucht wird, inwiefern interpersonelles Vertrauen bzw. Systemvertrauen und Selbstbestimmungspraktiken in der Medizin zusammenhängen, wie sie generiert oder unterminiert und wie sie gerechtfertigt werden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei Organisationen und Institutionen, z. B. dem Krankenhaus, sowie Kollektivakteuren, z. B. der Familie oder Patientengruppen. Welche Rolle spielen sie für die Interpretation und Umsetzung von Vertrauen und Autonomie in der Medizin? In sieben einander ergänzenden Teilprojekten aus den Bereichen Philosophie, Medizinrecht, Theologie, Medizinethik und Medizin sollen diese Fragen untersucht werden.

  • Teilprojekt PHILOSOPHIE: Autonomie und Vertrauen (Leitung: Prof. Dr. Holmer Steinfath)
  • Teilprojekt RECHTSTHEORIE/MEDIZINRECHT: Rechtsvertrauen als Systemvertrauen am Beispiel der Medizin und ihrer rechtlichen Regulierung (Leitung: Prof. Dr. Gunnar Duttge)
  • Teilprojekt THEOLOGIE: Autonomie und Vertrauen als spannungsvolle Bezugspunkte kirchlich-christlich gebundener Akteure im Krankenhaus (Leitung: Prof. Dr. Reiner Anselm)
  • Teilprojekt FAMILIENRECHT/MEDIZINRECHT: Autonomie durch Familie? – Die Bedeutung der Familie bei Entscheidungen am Lebensende und in der Reproduktionsmedizin (Leitung: Prof. Dr. Volker Lipp)
  • Teilprojekt MEDIZINETHIK: Reproduktive Autonomie als familiäre Autonomie? Zur Familie als Vertrauensintermediär in der Fortpflanzungsmedizin (Leitung: Prof. Dr. Claudia Wiesemann)
  • Teilprojekt MEDIZINETHIK/SOZIALPHILOSOPHIE: Autonomie und Vertrauen in Bezug auf Patientenverbände (Leitung: Prof. Dr. Silke Schicktanz)
  • Teilprojekt MEDIZIN: Autonomie und Vertrauen im klinisch-praktischen Kontext der Behandlungsentscheidungen am Lebensende (Leitung: Prof. Dr. Friedemann Nauck & PD Dr. Bernd Alt-Epping)